Gemeinderatssitzung vom 19. Mai 2022 – Viel Erklärungsbedarf
20. Mai 2022
Für Mitte-Fraktionspräsident Peter Portmann war die Mai-Sitzung des Churer Gemeinderates eine besonders emotionale. In einer persönlichen Erklärung zu Beginn gab er bekannt, dass er infolge seiner Wahl als vollamtlicher Richter am Regionalgericht Plessur per 1. Juli 2022 sein Amt als Gemeinderat in der Juni-Sitzung abgeben wird. Erfreut konnte Portmann bekanntgeben, dass Silvio Curschellas ab Herbst seine Nachfolge antreten wird. Auf das neue Schuljahr hin aufgegleist ist auch seine Nachfolge in der Bildungskommission, aus der er per sofort zurücktritt. Vizepräsidentin Corina Cabalzar würdigte Jurist Portmanns Einsatz, insbesondere im Rekurswesen.
Im Namen der Fraktionen von Mitte und SVP gab zum Auftakt der Sitzung Hanspeter Hunger (SVP) eine Fraktionserklärung ab. In dieser ging es um den in der letzten Sitzung überwiesenen Auftrag von Jean-Pierre Menge (SP) zur Einführung einer Tempo-30-Zone an der Salvatorenstrasse. Hunger kritisierte, dass in der Antwort des Stadtrates mit keinem Wort erwähnt war, dass der Gemeinderat gar nicht berechtigt ist, über eine solche Tempobeschränkung zu befinden, zudem liege auch kein entsprechendes Gutachten vor. Scharf kritisiert wurde auch Gemeinderatspräsident Jean-Pierre Menge, der nicht offengelegt hatte, dass er im fraglichen Perimeter an der Salvatorenstrasse Wohneigentum erworben hat. Hunger bezeichnete den Umgang mit diesem «untauglichen Auftrag» als Betriebsunfall und appellierte an alle Beteiligten, an die Sitzungsvorbereitung höchste Ansprüche zu stellen.
Zu einem weiteren Erfolgserlebnis für Mitte-Stadträtin und Baudirektorin Sandra Maissen wurde die Botschaft zum 60 Millionen Franken teuren Ausbau des Bahnhofs Chur West. Der städtische Beitrag von brutto gut 20 Millionen (netto rund zehn Millionen Franken, mit einem eher unüblichen Verweis auf den Baupreisindex Region Ostschweiz) wurde einstimmig zuhanden der Volksabstimmung verabschiedet. Seitens der Mitte-Fraktion hatte Norbert Waser die grossen Vorteile dieses Generationenprojekts herausgestrichen. Zu Beginn erinnerte er daran, dass 1998 der damalige Stadtrat sich in einem Brief an den Kanton noch gegen den Bau einer Haltestelle Chur-West ausgesprochen hatte. Die nun geplante multimodale Verkehrsdrehscheibe komme angesichts der dynamischen Entwicklung des neuen urbanen Stadtzentrums Chur West genau zum richtigen Zeitpunkt.
Volle Unterstützung seitens der Mitte-Fraktion gab es auch für die Botschaft Kulturraumnetzwerk Chur. Wer A sage, solle auch B sagen, sagte Tino Schneider mit Blick auf die einst beschlossene Kulturraumstrategie. Eine jährlich wiederkehrende Ausgabe von einer halben Million Franken sei ein hoher Betrag, aber das Konzept mit einem Verein als Trägerschaft verdiene Unterstützung. Das letzte Wort dazu habe ohnehin das Stimmvolk. Mit 17:4 Stimmen (nur die SVP-Fraktion sprach sich dagegen aus) wurde der eingeschlagene Weg gutgeheissen. Gemeinderat Waser hatte zuvor noch die Fraktionen von SVP und FDP kritisiert, nachdem sie an der Informationsveranstaltung zu diesem Geschäft – im Gegensatz zur geschlossen anwesenden Mitte-Fraktion – durch Abwesenheit geglänzt hatten und nun (vor Publikum) noch viele Fragen stellten.
Nachdem vor der Behandlung der Botschaft zur dritten Etappe des Ausbaus der Masanserstrasse der von Peter Portmann zur Diskussion gestellte Ausstandsgrund (er wohnt in der Nähe und ist im Bereich des geplanten Kreisels Grundeigentümer) verneint worden war, drehte sich die Diskussion vor allem um den geplanten Kreisverkehr. Portmann bezeichnete diesen als durchdachte Lösung und Teil eines Konzepts. Stadträtin Sandra Maissen konnte mit ihren Ausführungen offensichtlich viele noch Unentschlossene überzeugen. Nachdem sich Tino Schneider erkundigt hatte, was im Fall einer Ablehnung des Bauprojekts geschehen würde, war der Widerstand gebrochen und das knapp eine Million Franken teure Projekt wurde mit 17:3 Stimmen und einer Enthaltung genehmigt.
Mit 12:9 Stimmen abgelehnt wurde die Überweisung eines Auftrages von Adrian J. Meier (Freie Liste), der ein generelles Verbot von Feuerwerk aller Art auf Stadtgebiet gefordert hatte. Im Namen der Mitte-Fraktion erwähnte Norbert Waser das erst 2020 revidierte Polizeigesetz, bei dessen Behandlung ein von CVP-Gemeinderat Romano Cahannes angeregtes Verbot für das Abbrennen von lärmenden Feuerwerkskörpern abgelehnt worden war.
Eine engagierte Diskussion entwickelte sich bei der Behandlung des Auftrages von Mario Cortesi (SVP), der eine Erweiterung des Parkangebots für Motorroller verlangte. Nachdem die Überweisung des Auftrages in der ursprünglichen Form mit Gratisparkplätzen mit 11:10 knapp gescheitert war, spaltete die Überweisung des Auftrages (17:3 Stimmen, eine Enthaltung) gemäss den Erwägungen des Stadtrates die Mitte-Fraktion: Waser stimmte dagegen, Portmann dafür und Scheider enthielt sich der Stimme. Somit kann sich Vespa-Fahrer Portmann als alt Gemeinderat auf mehr und hoffentlich freie Parkfelder freuen, auch wenn für diese künftig wohl eine Parkgebühr zu entrichten sein wird.
Als eine Art Abschiedsgeschenk konnte Bildungskommissionsmitglied Portmann die mit 18:3 Stimmen erfolgte Überweisung eines Auftrages der SVP- und Mitte-Fraktion betreffend Überprüfung und Anpassung der rechtlichen Bestimmungen zu den Aufgaben und der Organisation der Bildungskommission betrachten. Die Biko sei heute zielorientiert unterwegs und alle würden am gleichen Strang ziehen, sagte Portmann, der die Anwesenheit des Kommissionspräsidenten und Mitgliedern der Schuldirektion im Ratssaal lobend erwähnte.
Mit Unterstützung der Mitte-Fraktion einstimmig überwiesen wurde der Auftrag der FDP-Fraktion betreffend Stärkung der Selbstfinanzierung für umsichtige Finanzierung der Investitionen. Stadtpräsident Urs Marti stellte eine Botschaft zur weiteren Finanzplanung für den Monat September in Aussicht. Für die Vorberatung dieses Geschäft soll dann erstmals in dieser Legislatur eine gemeinderätliche Vorberatungskommission eingesetzt werden.
Als übertriebenen und politisch motivierten Aktivismus kritisierte Mitte-Gemeinderat Norbert Waser den Auftrag von Mario Cortesi (SVP) betreffend Krisenvorbereitung für Strommangellage bzw. Blackout in der Stadt Chur, mit dem offene Türen eingerannt würden. Der Stadtrat hatte in seiner Antwort aufgezeigt, dass die technikbedingten Gefährdungen wie ein Ausfall der Stromversorgung und deren mögliche Folgen bekannt und die zuständigen Organisationseinheiten gut darauf vorbereitet seien. Bereits 2019 wurde zudem vom Kata-Stab ein Szenario mit einem schweren Erdbeben in der Stadt Chur durchgespielt. Eine Mehrheit des Rates (16:5) sprach sich dennoch für eine Überweisung des Auftrages aus, der vom Stadtrat über den Stand der Vorbereitungen auf ein solches Extremszenario einen Bericht verlangt.
Leider bereits unter Abwesenheit der Medien beantwortete Stadtrat Patrik Degiacomi Fragen der SP-Fraktion zu den Flüchtlingen aus der Ukraine. Der Krieg und dessen Folgen dürften auch die Stadt Chur noch längere Zeit beschäftigen.