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GR 5.9.2024 – Mitte Chur ermöglicht Neustart in der Finanzplanung

5. September 2024

Das Sparpaket ALÜ 3.0 ist vorerst vom Tisch! Die beiden Mitte-Vertreter verhalfen im Churer Gemeinderat dem von der SP gestellten Antrag auf Nichteintreten auf die Botschaft zu einem Massnahmenpaket zum Erhalt der Investitionsfähigkeit zu einer 10:8-Mehrheit. Damit fliessen die vom Stadtrat vorgeschlagenen Massnahmen einer Aufgaben- und Leistungsüberprüfung noch nicht in das Budget 2025 ein. Die Mitte ermöglicht so dem ab Januar neu zusammengesetzten Stadtrat einen Neustart in der Mehrjahresplanung der Finanzen.

Seit der Präsentation der vom Stadtrat vorgeschlagenen Massnahmen zum Erhalt der Investitionsfähigkeit der Stadt Chur gingen die Emotionen hoch. Sie gipfelten in einer Demonstration vor dem Rathaus vor Beginn der Gemeinderatssitzung und einer innert weniger Tage von über 2000(!) Personen unterzeichneten Petition «Chur gegen den Kahlschlag». Soweit wird es nicht kommen: Zusammen mit den Stimmen der beiden anwesenden Mitte-Vertretern wurde vom Gemeinderat Nichteintreten auf das Traktandum beschlossen. Damit ist die Umsetzung der Massnahmen einer Aufgaben- und Leistungsüberprüfung (ALÜ 3.0) vorerst vom Tisch. Die vom Stadtrat vorgeschlagene und von GPK-Präsident Jürg Kappeler vehement unterstützte Vorberatung des Geschäfts durch die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) ist damit obsolet. Auch Stadtpräsident Urs Marti hatte vergeblich versucht, eine Mehrheit von der Notwendigkeit dieser Massnahmen zu überzeugen

Kein Sparpaket verlangt

In der Debatte zu dem von der SP gestellten Antrag auf Nichteintreten auf die Botschaft erläuterte Gemeinderat und GPK-Mitglied Silvio Curschellas die Haltung der Mitte-Fraktion. Er erinnerte daran, dass der Gemeinderat im Juni 2023 zusammen mit dem Auftrag, den Selbstfinanzierungsgrad nicht unter 70 Prozent fallen zu lassen, eine Grundlagenbotschaft verlangt hatte. «Der Stadtrat hat diesen Auftrag nun insofern erweitert, dass er gleich ein umfassendes Massnahmenpaket geschnürt hat», stellte Curschellas fest. Dieses Massnahmenpaket könne insofern gelobt werden, als gleichermassen Ertrags- und Aufwandpositionen aufgelistet würden. Mit der Vielzahl von über 100 Massnahmen würden aber an vielen Orten Kleinstbeträge eingespart, die die Stadt in der zentralen Frage eines hohen Selbstfinanzierungsgrades der Investitionen aber nicht wirklich weiterbringen würden. Die vorgeschlagenen, breit gefächerten Massnahmen hätten bloss dazu geführt, dass ein kollektiver Aufschrei durch die Stadt gegangen sei. Kritik übte Curschellas insbesondere auch am Zeitpunkt: «Die Wahlen sind vorbei, da kann man mit unpopulären Massnahmen auffahren, deren Konsequenzen die jetzige Stadtregierung nicht mehr tragen muss.» Mit einem kleinen Funken an politischem Gespür wäre es durchaus möglich gewesen, diese Vorlage unter Einbezug der beiden neu gewählten Stadträte dem Gemeinderat erst im März 2025 zu präsentieren. In Abwesenheit von zwei bürgerlichen Gemeinderäten wurde mit 10:8 Stimmen beschlossen, auf das Geschäft nicht einzutreten.

Curschellas 1. Stadtrat-Stellvertreter

Zum Auftakt der Gemeinderatssitzung musste eine Ersatzwahl für die 1. Stellvertretung für den Einsitz im Stadtrat für den Rest der Legislatur 2021-2024 durchgeführt werden. Amtsinhaber Hanspeter Hunger hatte kurzfristig demissioniert, weil er den durch den kurzfristigen Ausfall von Stadträtin Sandra Maissen aus gesundheitlichen Gründen entstandenen Zeitaufwand nicht mehr mit seinen beruflichen Verpflichtungen vereinbaren konnte. Die SVP hatte im Kündigungsschreiben bezüglich der Nachfolge den Ball der Mitte-Fraktion zugespielt. Fraktionspräsident Norbert Waser erklärte, die Mitte erhebe keinen Anspruch auf dieses Amt, zumal mit Tino Schneider bereits der 2. Stellvertreter der Mitte angehört. Wenn sich aber niemand anders zur Verfügung stelle, stehe Silvio Curschellas für dieses Amt zur Verfügung. Mit 18 von 19 möglichen Stimmen (bei eigener Enthaltung) wurde der Mitte-Vertreter dann auch gewählt, dies nachdem er als GPK-Mitglied erklärt hatte, aus Governance-Gründen für die Zeit der Stellvertretung auf seine Mitwirkung in der Geschäftsprüfungskommission zu verzichten.

Diskussionen um Treueprämien

Anlass zu intensiver Lobbyarbeit hatte im Vorfeld der Gemeinderatssitzung auch die traktandierte Totalrevision der Personalverordnung geführt. Für Diskussionsstoff haben insbesondere die vorgesehenen Änderungen bei den Treueprämien geführt. Es sei eine Schlaumeierei, wenn der Fokus ausschliesslich auf die Treueprämien gelegt werde, sagte Silvio Curschellas. Mit der Erhöhung des Ferienanspruchs von 25 auf 28 Tage und einer Treueprämie im Lohngegenwert von fünf Tagen alle fünf Jahre ergebe sich auf ein langes Berufsleben gerechnet praktisch keine Differenz mehr zu den Anstellungsbedingungen beim Kanton (1335 zu 1333 Tagen). Mit 11:8 Stimmen verhalf die Mitte dem Antrag auf eine Treueprämie alle fünf Jahre bereits am dem 5. Jahr (statt 10.) zum Durchbruch (10:8 Stimmen). Von der Mitte unterstützt wurde auch der von Jean-Pierre Menge, Präsident der Vorberatungskommission, gestellte Antrag, für Arbeitnehmende ab 60 den Ferienanspruch von 28 auf 30 Tage zu erhöhen (17:2 Stimmen). In der Schlussabstimmung wurden sämtliche unbestrittenen Anträge des Stadtrates zur Totalrevision der Personalverordnung ohne Abstimmung zum Beschluss erhoben.

Zum Beschluss erhoben wurden auch die Anträge im Zusammenhang mit dem Massnahmenplan Suchtprävention. Dieser ist eine Folge der erschreckenden Resultate einer 2022 durchgeführten Umfrage bei 893 Jugendlichen. 22 Prozent der Befragten hatten damals angegeben, schon mal ernsthaft daran gedacht zu haben, sich das Leben zu nehmen. «Liebe Politikerinnen und Politiker: Was läuft da in unserer Gesellschaft falsch», fragte der damalige Gemeinderatspräsident Norbert Waser nach Bekanntwerden der schockierenden Zahlen und forderte dazu auf, die Resultate der Jugendbefragung detailliert zu analysieren und daraus Massnahmen abzuleiten. Nun bedankte sich Waser beim Stadtrat für die inzwischen geleistete Arbeit und den vorgelegten Massnahmenplan, der «Goldstandard» verspricht. «Hoffen wir, dass sich damit die psychische Gesundheit der Churer Jugendlichen positiv beeinflussen lässt und sie neue Lebensfreude finden», sagte der Mitte-Fraktionspräsident.

Unterstützt wurde von der Mitte-Fraktion auch die Botschaft zur Büroraumplanung und der damit verbundene Kreditantrag über 643 800 Franken für den Umbau des 3. Stockwerkes im Stadthaus, damit dort das Betreibungs- und Konkursamt als Mieter einziehen kann. GPK-Mitglied Silvio Curschellas hatte diese Leerstände schon länger kritisiert. Angesichts der Diskussionen über ein rigoroses Sparpaket möge dieser Kreditantrag als Widerspruch erscheinen, meinte Mitte-Sprecher Norbert Waser. Immerhin sei der ursprünglich in der Investitionsrechnung 2017 noch mit 5,8 Mio. Franken aufgeführte Gesamtkredit für das Projekt Büroraumplanung inzwischen auf 3,4 Mio. Franken korrigiert worden. «Zu hoffen ist, dass dieser Weg auch vom neu gewählten Stadtrat fortgesetzt wird und sich die beiden neuen Stadträte in Bescheidenheit üben und ihre Büros nicht gleich wieder mit Luxusausbauten auf den Kopf stellen», mahnte Waser. Mit Ausnahme der SVP-Fraktion (drei Gegenstimmen) wurden die Anträge vom Gemeinderat gutgeheissen.

Unbestritten war der Bruttokredit von gut 600 000 Franken für das Projekt Scheitabodaweg in Arosa, an dem sich die Gemeinde Arosa, die Arosa Bergbahnen und die Stadt Chur zu gleichen Teilen beteiligen.

Kommt das Stimmrecht für Ausländer?

Wie knapp die Mehrheitsverhältnisse im Churer Gemeinderat sind, zeigte sich bei der Abstimmung über einen Auftrag der SP-Fraktion zur Verankerung des Ausländerstimm- und Wahlrechts für Personen mit Niederlassungsbewilligung in der städtischen Gesetzgebung. Weil auf der bürgerlichen Seite zwei Gemeinderäte fehlten, verhallten die Voten von Mitte-Gemeinderat Silvio Curschellas unerhört. Er plädierte zusammen mit den Fraktionen von FDP und SVP dafür, dass sich Interessierte dieses Recht durch eine Einbürgerung erwerben könnten. Mit Blick auf Erfahrungen in anderen Städten meinte Curschellas: «Weshalb sollen wir einer Bevölkerungsgruppe ein Recht einräumen, das gar nicht gefragt ist.» Der Auftrag wurde schliesslich mit 10:9 Stimmen an den Stadtrat, der das Anliegen positiv bewertete, überwiesen. Er wird nun eine Botschaft ausarbeiten. Sollte auch diese im Rat mehrheitlich positiv aufgenommen werden – was bei der weiterhin bestehenden bürgerlichen Mehrheit bei Vollbestand ungewiss ist ­– könnte letztlich das Stimmvolk darüber befinden.

Mit 19:0 Stimmen überwiesen wurde ein Auftrag von Hanspeter Hunger (SVP), der eine Überprüfung der Trägerschaft für die Gewerbliche Berufsschule Chur (GBC) verlangt.

Nicht befriedigt von den Antworten des Stadtrates zeigten sich Jean-Pierre Menge (SP, Interpellation zur Anbringung einer Tafel im Gedenken der Opfer eines Brandes in einer Asylbewerberunterkunft an der Alexanderstrasse) und Barbara Rimml (SP, Mehr Gärten für Chur). Zufrieden mit den Antworten des Stadtrates zeigte sich Hanspeter Hunger (SVP) betreffend Busspuren für den Zweiradverkehr. Geprüft werden soll, ob die Busspuren auch für schnelle E-Bikes und Mofas (gelbe Nummernschilder) geöffnet werden sollen.

Nach diesem reich befrachteten Programm entführte Gemeinderatspräsidentin ihre Ratskolleginnen und -kollegen am Tag danach zur Landsitzung in die Gemeinde Tschiertschen-Praden. Wenige Tage vor der Volksabstimmung über einen Gemeindezusammenschluss können sich die Churer Parlamentsmitglieder gleich selbst ein Bild über die Braut und ihre Mitgift machen.

Desinformation geht weiter

Apropos Volksabstimmung: Im Rahmen der Diskussionen über das Sparpaket monierte Andi Schnoz (Freie Liste & Grüne) einmal mehr, beim vorgesehenen Landtausch im Gebiet Chur West würde die Stadt Chur Millionen verschenken. «Das Gegenteil ist der Fall», wehrte sich Mitte-Fraktionspräsident Norbert Waser gegen diese Falschaussage, die durch Wiederholung nicht besser werde. «Mit einer Zustimmung zum vorliegenden Tauschvertrag könne endlich der Weg für eine weitere Entwicklung im Stadtteil Chur West freigemacht werden, zudem fliesse aufgrund der unterschiedlichen Landflächen eine Ausgleichszahlung von über 8 Millionen Franken in die Stadtkasse, stellte Waser klar.

nw/ 5.9.2024

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