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Gemeinderatssitzung vom 1. Februar 2024 – Mitte liefert Argumente zu Rückweisungsanträgen

3. Februar 2024

Zu den beiden Hauptgeschäften der ersten Gemeinderatssitzung im neuen Jahr wurden Rückweisungsanträge gestellt. Sowohl die von der SP-Fraktion gestellten Anträge zu den Landgeschäften und die Neuvergabe eines Baurechts in Chur West, als auch der von der Mitte-Fraktion eingebrachte Antrag auf Überarbeitung der Botschaft zur Sucht- und Drogenpolitik mit viermal höheren Kosten für den Betrieb eines Konsumraumes fanden unter den 20 anwesenden Ratsmitgliedern aber keine Mehrheit. Zu all diesen Geschäften wird sich das Stimmvolk am reich befrachteten Abstimmungs- und Wahlwochenende am 9. Juni abschliessend äussern können.

Die Gesamterneuerungswahlen des Stadtparlaments werfen bereits lange Schatten voraus. Zu Beginn der Sitzung vereidigte die neue Gemeinderatspräsidentin Géraldine Danuser mit Peter Kamber (SVP), Daniel Lütscher und Sandra Z’Graggen (beide FDP) gleich drei nachgerückte neue Ratsmitglieder. Damit wurde innerhalb der letzten 14 Monate ein Drittel des 21-köpfigen Stadtparlaments neu besetzt, wohl nicht zuletzt auch mit Blick auf die Wahlen, um mit dem Zusatz «bisher» antreten zu können.

Als neues Mitglied der Redaktionskommission wurde mit 19 Stimmen Johann Ulrich «Hanueli» Salis gewählt, womit die SVP im Jahr 2026, fünf Jahre nach Mario Cortesi, wieder den «höchsten Churer» stellen dürfte. In einer Ersatzwahl wurde für den in den Gemeinderat nachgerückten Daniel Lütscher der von der FDP vorgeschlagene Hansluzi Fausch einstimmig als neuer Stellvertreter der Geschäftsprüfungskommission (GPK) gewählt.

Argumente gegen Verkauf entkräftet

Beim ersten Sachgeschäft, dem Tausch von Landparzellen im Entwicklungsgebiet Chur West, wollte die SP mit einem Rückweisungsantrag Nachverhandlungen zum Verkaufspreis erwirken. Sprecherin Barbara Rimml äusserte sich grundsätzlich kritisch zum Landverkauf und vor allem zum ausgehandelten Quadratmeterpreis von 1850 Franken. Die bürgerlichen Fraktionen äusserten sich geschlossen gegen eine Rückweisung. Mitte-Fraktionspräsident Norbert Waser betonte, es gelte bei diesem Geschäft nicht nur monetäre Betrachtungen anzustellen, sondern das Gesamtpaket im Auge zu behalten. Beim vorliegenden Resultat handle es sich um einen nach langem, zähem Ringen entstandenen Kompromiss, bei dem der ausgehandelte Quadratmeterpreis nur eine Stellschraube sei. Eine Rückweisung würde in der schier unendlichen Geschichte des neuen Stadtteils Chur West nur nochmals für Verzögerungen sorgen. Was solche für Folgen haben könnten, erläuterte Stadtpräsident Urs Marti, der vom Verlust von hunderten von Millionen Franken sprach, wenn die Entwicklung von Chur West weiter blockiert bleibe. Er entkräftete auch sämtliche von der SP vorgebrachten Argumente, die gegen einen Landtausch und die – nach zweimaligen Nachverhandlungen ­– ausgehandelten Konditionen sprachen. Der Rückweisungsantrag wurde darauf mit der bürgerlichen Mehrheit mit 9:11 Stimmen abgelehnt.

In der Detailberatung erläuterte Norbert Waser die Gründe, weshalb die Mitte-Fraktion dem Tauschgeschäft mit Überzeugung zustimmt. Nachdem der im Departement von Mitte-Stadträtin Sandra Maissen erarbeitete Masterlplan Chur West als städtischer Leitfaden vorliegt, für das Teilgebiet H der Quartierplan bereits genehmigt ist, die Einsprachen zurückgezogen worden sind und für die Weiterentwicklung des Teilgebietes E eine Planungsvereinbarung abgeschlossen werden konnte, könnten mit den beiden vorliegenden Geschäften die Voraussetzungen für den Bau eines dritten Hochhauses im Teilgebiet H geschaffen werden. Mit dem als Seniorenresidenz konzipierten Hochhaus mit 26 Geschossen würde überdies dem inzwischen 90-jährigen Architekt und Churer Ehrenbürger Thomas Domenig ermöglicht, sein Lebenswerk in Chur zu vollenden. Nicht zuletzt würden damit auch die Weichen für den neuen Bahnhofplatz vor dem bereits im Bau befindlichen Bahnhof Chur West gestellt, dem eigentlichen Eingangstor in den urbanen neuen Churer Stadtteil.

In der Schlussabstimmung wurde dem Kauf von zwei Parzellen im Umfang von 749 Quadratmeter im Teilgebiet E durch die Stadt Chur mit 18:0 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) zugestimmt. Im Gegenzug wurde dem Verkauf einer städtischen Parzelle mit einer Fläche von 5204 Quadratmeter an die Baugesellschaft City West mit 11:7 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) ebenfalls zugestimmt. Der einheitliche Transaktionspreis beträgt 1850 Franken pro Quadratmeter.

Erneut mit einem Rückweisungsantrag wollte die SP auch Neuverhandlungen zu den Konditionen eines neuen Baurechtsvertrages für das Grundstück, auf dem das neue Hochhaus zu stehen kommt, erzwingen. Die Mitte stemmte sich auch gegen dieses Ansinnen. Mit der Neuvergabe des Baurechts würden nicht nur die Voraussetzungen für das neue Hochhaus geschaffen, gleichzeitig könnte auch die risikoreiche Heimfallklausel aus dem alten Baurechtsvertrag aufgehoben werden, zudem könne mit dem Transfer der bisher nicht genutzten Ausnützungsreserve des nicht realisierten dritten Stockwerks im Einkaufszentrum City West auf das neue Hochhaus zusätzlicher, stark nachgefragter Wohnraum geschaffen werden, wie der Mitte-Fraktionspräsident argumentierte. Stadtpräsident Urs Marti versuchte, die komplexen Berechnungsrundlagen für den neuen Baurechtszins zu erläutern und zeigte sich überzeugt, dass das erreichte Resultat für die Stadt sehr zufriedenstellend ausgefallen sei. Durch den Verkauf der Landparzelle im Nachbargrundstück flössen zudem 8,2 Millionen Franken in die Stadtkasse, was mit Blick auf künftige Aufgaben das Eigenkapital stärke. Der Rückweisungsantrag der SP-Fraktion wurde in der Folge mit 9:11 Stimmen abgelehnt, die Neuvergabe des Baurechts mit 13:7 Stimmen genehmigt. Aufgrund der finanziellen Tragweite der beiden Geschäfts hat dazu am 9. Juni das Stimmvolk das letzte Wort.

Unter Traktandum 7 wurden die infolge des verstärkten Engagements des Kantons in der familienergänzenden Kinderbetreuung nicht mehr nötigen städtischen Zusatzbeiträge ab August 2024 gestrichen (12:8 Stimmen). SP und Freie Liste hätten damit gerne zugewartet, bis die gesetzlichen Grundlagen des Kantons vorliegen.

Viele offene Fragen zum Drogen-Konsumraum

Weil die Mitte-Fraktion in der vorliegenden neuen Botschaft Gesellschaft, Strategie Sucht- und Drogenpolitik, Finanzierung Liegenschaft Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum sowie Genehmigung Rahmenkredit für den Betrieb eines Konsumraums eine ganze Reihe offener Fragen und Ungereimtheiten erkannte, stellte sie einen ausführlich begründeten Rückweisungsantrag. Silvio Curschellas betonte ausdrücklich, die Mitte sei nicht gegen die Einrichtung eins Konsumraumes, aber gegen das in der neuen Botschaft aufgezeigte Wie. Nur schwer zu erklären seien die grossen Differenzen zwischen der ersten Botschaft vom Juni 2022 und der nun vorliegenden, mit viermal so hohen Kosten. Das Konsumverhalten habe sich nicht erst in dieser Zeit stark verändert, auch habe der Kanton schon immer mit höheren Kosten gerechnet, zudem seien in der ersten Botschaft die Sicherheitskosten völlig vergessen gegangen. Die Lage sei zu ernst, als dass erneut Schnellschüsse produziert und falsche Versprechungen gemacht würden, sagte Curschellas. Leider lasse die Botschaft zu viele Fragen offen, weshalb sich eine Rückweisung an den Stadtrat zur Überarbeitung aufdränge. Noch detaillierter auf die gravierenden Mängel ging Fraktionskollege Tino Schneider ein, der als GPK-Mitglied insbesondere auch Aussagen zu den Auswirkungen auf die städtischen Finanzen vermisste. «Da kommen doch erhebliche Mehrbelastungen auf die Stadt zu, welche nirgendwo budgetiert und eingeplant sind», stellte er fest. Und auch bei der Zusammenarbeit mit dem Kanton und der langfristigen Perspektive des Projekts würden weiterführende Informationen in der Botschaft fehlen. Schon Curschellas hatte bei der Zusammenarbeit mit dem Kanton Formulierungen wie «stellt in Aussicht» oder «strebt an» als zu vage kritisiert. Der mit dem Konsumraum an der Sägenstrasse entstehende zweite Standort, die Sicherheit auf dem Weg zwischen dem Stadtpark und dem Konsumraum und die Situation ausserhalb der geplanten Öffnungszeiten von 11 bis 19 Uhr waren weitere offene Fragen. «Angesichts des 30- bis 40-jährigen Dornröschenschlafes bei dieser Thematik, wie es Stadtrat Degiacomi in einem Interview gesagt hat, wären ein paar Monate mehr Zeit für die Klärung der offenen Fragen sicher kein Problem», sagte Curschellas. Schneider erwähnte insbesondere auch das Vertrauen der Stimmbevölkerung, das für eine Zustimmung an der Urne unabdingbar sei.

Der zuständige Stadtrat Degiacomi hatte aufgrund der riesigen Kostensteigerung mit einer kalten Dusche im Gemeinderat gerechnet und zeigte volles Verständnis für die kritischen Voten und sah selbst auch Erklärungsbedarf. Ursprünglich sei man von einer Mietlösung ausgegangen und unter anderem sei das Personal zu knapp bemessen gewesen. «Mit heutigem Wissen schütte ich mir Asche über mein Haupt», sagte der Vorsteher des Departements Bildung Gesellschaft Kultur.

Unterstützt wurde der Rückweisungsantrag bei der folgenden Abstimmung aber lediglich von der FDP-Fraktion. Die SVP-Fraktion sah nach den Ausführungen des Departements- und des Polizeichefs an der Fraktionssitzung keinen Aufschiebungsgrund und stellte die rasche Schadensminderung in den Vordergrund. Auch die SP-Fraktion stellte sich gegen eine Rückweisung, obwohl auch sie sich durch die neue Botschaft mit den viele höheren Kosten «vor den Kopf gestossen» sah. Mit 7:13 Stimmen blieben Mitte und FDP in der Abstimmung über den Rückweisungsantrag alleine. In der Schlussabstimmung wurde der Netto-Rahmenkredit in der Höhe von rund 3,9 Mio. Franken mit 13 Ja-Stimmen zu Handen der Volksabstimmung verabschiedet, Mitte und FDP enthielten sich nach der Ablehnung des Rückweisungsantrages der Stimme.

Einstimmig überwiesen wurde zum Schluss ein Auftrag von Jean-Pierre Menge (SP) betreffend Instandsetzung und Vermietung des Alten Stadtspitals, dies allerdings im Sinne der Ausführungen des Stadtrates, der in der Botschaft über den Stand der verschiedenen Optionen berichtete, wie dieses historische Gebäude einer neuen Nutzung zugeführt werden könnte.

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