Unsere Website ist nicht für deine Browserversion optimiert.

Seite trotzdem ansehen

Gemeinderatssitzung vom 7. März 2024 – Argumente der Mitte finden Mehrheiten

8. März 2024

Sei es bei der Rückweisung der Botschaft zur Reorganisation der Hochbaudienste, der Einsetzung einer 5er-Kommission für die Vorberatung der Personalverordnung, der Ablehnung einer kostspieligen Prüfung einer Brambrüeschbahn-Alternative oder dem Verzicht auf einen Test für ein Synthetik-Eisfeld als Ersatz für die mobile Kunsteisbahn auf der Quaderwiese, bei allen Geschäften der drittletzten Gemeinderatssitzung vor den Neuwahlen am 9. Juni stand die Mitte-Fraktion in den Abstimmungen auf der Seite der Ratsmehrheit und trug mit ihren Argumenten wesentlich zur Meinungsbildung im Rat bei.

Die gut gefüllten Zuschauerplätze im Churer Gemeinderatssaal an der zweiten Sitzung unter Leitung von Ratspräsidentin Géraldine Danuser (GLP) waren Ausdruck des intensiven Meinungsbildungsprozesses, der dieser Ratsdebatte vorausgegangen war. Das Interesse an den auch von den Medien aufgegriffenen Traktanden war gross. Den ersten Lakmustest gab es bei der Einsetzung einer Vorberatungskommission für die Totalrevision der Personalverordnung der Stadt Chur (PVO). Die Ratslinke wollte eine 7er-Kommission, inklusive einer festen Vertretung eines Mitglieds der Bildungskommission und Jean-Pierre Menge (SP) als Kommissionspräsident. Dieses Ansinnen wurde von der bürgerlichen Mehrheit, inklusive der geschlossenen Mitte-Fraktion, abgelehnt. Nachdem dem von der FDP gestellten Antrag für eine 5er-Kommission stattgegeben wurde, fand der Antrag der Bildungskommission auf einen festen Sitz mit 18:3 Stimmen (die Mitte war dagegen) Zustimmung und Corina Cabalzar (SP) wurde mit 20 Stimmen in die Vorberatungskommission gewählt. In der Folge wurden Silvio Curschellas (Mitte 21 Stimmen), Gian Reto Trepp (FDP, 21), Jean-Pierre Menge (SP, 17) und Peter Kamber (SVP, 13) in die Kommission gewählt. Nicht geschafft hat es Martina Nett-Schatz (Freie Liste/Grüne, 10). Das Präsidium wurde mit 20 Stimmen Jean-Pierre Menge (SP) übertragen. Dieser sprach von einer anspruchsvollen Aufgabe, die die Vorberatungskommission erwarte.

Mitte-Gemeinderat Silvio Curschellas hatte einleitend die Bedeutung der Totalrevision der Personalverordnung unterstrichen. «Die Fülle an Anpassungen oder Fragestellung ist so gross, dass eine Detailberatung mit dem gesamten Gemeinderat wenig zielführend wäre.» Zuvor hatte sich Curschellas pointiert zur aktuellen Personalsituation ­– aktuell sind 27 offene Stellen ausgeschrieben – geäussert. «Die Situation ist vor allem auf Kaderebene dramatisch und dies nicht nur im Hochbau, wie das immer wieder kolportiert wird.» Die Stadt habe auch Vakanzen in der Leitung der Sportanlagen, sie suche schon wieder einen Vizedirektor für die Stadtschule, jetzt müsse der Leiter der Dienststelle Gesellschaft ersetzt werden, und last but not least sei jetzt auch noch eine der wichtigsten Stabstellen neu zu besetzen. «Da muss man sich als Aussenstehender, sei es in der Bevölkerung oder als Gemeinderat, schon fragen, wie es mit dem Betriebsklima und der Personalführung aussieht. Das kann aber eine Personalverordnung nicht regeln, da müssen alle Verantwortlichen nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern zuerst sich selbst einfach mal den Spiegel vorhalten und das eigene Verhalten kritisch hinterfragen», sagte Curschellas. Stadtpräsident Urs Marti erwähnte in seinem Votum unter anderem die durch die PVO-Revision zu erwartenden 2,5 Mio. Franken Mehrkosten, mit denen es trotz Sparvorgaben für den städtischen Haushalt Akzente zu setzen gelte, damit die Stadt ein attraktiver Arbeitgeber bleibe.

 

Keine Reorganisation vor den Wahlen

Starker Gegenwind wehte dem Stadtrat bei der Botschaft Reorganisation Dienststelle Hochbaudienste entgegen. Namens der SP-Fraktion meldete eingangs der Debatte Vincenzo Cangemi grosse Bedenken zu den geplanten Reformschritten an und kritisierte namentlich den geplanten Verzicht auf die Funktion eines Stadtarchitekten und die fehlende Berücksichtigung der Aufgabenteilung entlang des Verwaltungs- und Finanzvermögens. Klar Farbe bekannte dann Tino Schneider, der dieses Geschäft namens der Mitte-Fraktion vertrat, und stellte einen Rückweisungsantrag. «Es macht absolut keinen Sinn, wenn der aktuelle Stadtrat diese Reorganisation so kurz vor Ende der Legislatur aufgleist, obwohl heute klar ist, dass in rund neun Monaten mindestens der Departementsvorsteher Finanzen, Wirtschaft, Sicherheit ersetzt wird, und dass es mit erhöhter Wahrscheinlichkeit in zwei Departementen zu Wechseln an der Spitze kommen wird», argumentierte Schneider. «Eine solch tiefgreifende Reorganisation muss zwingend vom neuen Stadtrats-Gremium in Angriff genommen werden. Auch inhaltlich äusserte sich die Mitte kritisch, insbesondere was das fehlende Vieraugenprinzip betrifft, wenn Finanzen und Hochbau im gleichen Departement zusammengeführt würden. Auch wenn die ebenfalls geplante Aufwertung des Bausekretariats zum Bauamt und die Stärkung der Stadtentwicklung durchaus zu prüfen sei, fehle eine Gesamtauslegung für eine tiefgreifende Reorganisation mit Kompetenzverschiebungen zwischen den Departementen, betonte Schneider.

Für eine sofortige Reorganisation machte sich insbesondere Jürg Kappeler (GLP), Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK), die diese vor über vier Jahren angeregt hatte, stark. Rückendeckung erhielt er von Rainer Good (FDP) und Walter Hegner (SVP). Nachdem Andi Schnoz namens der Fraktion Freie Liste/Grüne eine Unterstützung des Rückweisungsantrages der Mitte in Aussicht gestellt hatte, sah Mitte-Stadträtin Sandra Maissen, die die Botschaft namens des Stadtrates vertrat, kaum mehr eine Chance, die Vorlage noch zu retten. Sie erhoffe sich durch die Aufwertung des Bausekretariats zum Bauamt bessere Chancen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, argumentierte Maissen. Für die Zusammenführung von Hochbau und Immobilien spreche, dass dann der ganze Lebenszyklus eines Gebäudes aus einer Hand betreut werde. Pointiert äusserte sie sich zum Thema Stadtarchitekt. «Es macht den Anschein, dass die Stadt untergehen würde, wenn es keinen Stadtarchitekten mehr gebe», sagte Maissen. Es bestehe ein Spannungsfeld zwischen Fachwissen und Politik, mit der Aufwertung der Stadtentwicklung würden aber gerade mit Blick auf die weitere Entwicklung grosser Areale (Kaserne) gute Voraussetzungen geschaffen. Es sei eine veraltete Ansicht, wenn man glaube, eine einzelne Person gestalte die Zukunft der Stadt. Es gehe vor allem darum eine qualitätsvolle Stadtentwicklung sicherzustellen. Qualität und Effizienz würden sich nicht ausschliessen. Selbstkritik am Vorgehen des Stadtrates übte Sandra Maissen bezüglich der Information, seien doch nicht alle Betroffenen in den Prozess miteinbezogen worden. Ihr Wunsch, man möge angesichts der mit der Rückweisung zunehmenden Schwierigkeiten bei den Stellenausschreibungen die Reorganisation jetzt umsetzen, konnte aber nichts mehr bewirken. Der von der Mitte gestellte Rückweisungsantrag wurde mit 12:9 Stimmen gutgeheissen, was auf den Publikumsrängen vereinzelt mit Applaus quittiert wurde.

Keine Opposition gab es gegen die Verlängerung des Engagements beim kantonalen Pilotprojekt «PAT – Mit Eltern Lernen Graubünden». Die Botschaft «Frühe Kindheit Stadt Chur» wurde ohne Abstimmung durchgewunken.

 

Quadereis steht zur Disposition

Als Folge eines nach der Corona-Pandemie und dem Ausfall infolge Strommangellage von Mario Cortesi (SVP) überwiesenen Auftrages mit dem Titel «Quadereis soll wieder zur Verfügung stehen» setzte sich der Stadtrat eingehend mit der Zukunft der mobilen Eisbahn auf der Quaderwiese auseinander. «Wir wollen damit auch die Stimmung im Gemeinderat abholen und verschiedene Varianten zur Diskussion stellen», sagte Stadtpräsident Urs Marti. Grünes Licht erhielt der Stadtrat für das Vorgehen, im Falle eines Ausfalls der in die Jahre gekommenen Eismaschine den Betrieb einzustellen. Im Keim erstickt wurden aber Pläne für ein Synthetik-Eisfeld aus Kunststoff. Nachdem Gemeinderat Hanueli Salis (SVP) eine solche in Rapperswil-Jona betriebene Anlage getestet hat und zu einem vernichtenden Urteil kam. Der vom Stadtrat ins Auge gefasste Test-Besuch in Rapperswil mit verschiedenen Anspruchsgruppen wurde mit 19:2 Stimmen abgelehnt. Namens der Mitte-Fraktion vertrat Norbert Waser das Geschäft. Er verwies auf die eben erst abgeschlossene Saison auf der Quaderwiese, die angesichts der hohen Temperaturen einmal mehr schwierig war und auch erneut weniger Besuchende anlockte. «Wenn es noch ein weiteres Indiz dafür braucht, dass der Klimawandel auch die Stadt Chur betrifft, das Quadereis liefert ihn», sagte Waser. «Wenn die bestehende Kältemaschine auf der Quader ihren Geist aufgibt, soll dies gleichzeitig auch als Zeichen verstanden werden, den Betrieb einer Eisbahn auf der historischen Quaderwiese aufzugeben.» Anstatt neue Investitionen zu tätigen, plädierte Waser dafür, in der neuen Trainingshalle auf der Oberen Au temporär (zum Beispiel während der Sportwoche) für Attraktionen zu sorgen. «Mit der Fertigstellung des Projekts Eis-Ball und dem Umzug der Stadthalle in die Obere Au entsteht dort nämlich ein neues Sport- und Vergnügungszentrum, das auch dem Klimawandel Rechnung trägt», so Waser. Stadtrat Urs Marti stellte eine Botschaft zur Zukunft des Quadereises in Aussicht. Möglicherweise wird dann auch nochmals – in Kenntnis aller Fakten – das Stimmvolk befragt.

 

Konzentration auf Neubau-Projekt Brambrüeschbahn

Ein weiteres emotionales Thema betraf ein von SVP-Gemeinderat Mario Cortesi noch kurz vor seinem Ausscheiden eingereichter Auftrag betreffend Brambrüeschbahn-Alternative, der fordert, dass dem Stimmvolk als Variante auch lediglich der Ersatz der 4er-Gondelbahn (obere Sektion) vorgelegt wird. Gegen dieses Ansinnen wehrte sich namens der Mitte-Fraktion Silvio Curschellas. «Mit der Überweisung des Auftrages zur Variantenprüfung würden vermutlich Kosten von ein bis zwei Millionen Franken entstehen, die allein für eine vertiefte Kostenanalyse verschwendet würden», sagte Curschellas. Diese Vertiefungsarbeiten würden zudem zu Verzögerungen von ein bis zwei Jahren führen, zudem würde die Stadtverwaltung zusätzlich belastet, weil ein solcher Auftrag ja nicht an das Bahnunternehmen gehen könne. Diese Gelder könnten viel besser in das Projekt Neubau investiert werden. Die Stimmbevölkerung habe im Jahr 2019 Ja zu einer neuen Bahn gesagt, dies inklusive Reserven mit Kosten von rund 30 Millionen Franken. Gemäss heutigem Planungstand würden die Kosten – auch aufgrund der Bauteuerung – rund 35 Millionen Franken betragen. Auch deshalb habe die GPK einen externen Bericht eingefordert. Dieser beinhalte Aussagen zu den Themen Corporate Governance, Kostenevaluierung und Beschaffung von zwei Millionen Reserven. Dieser Bericht soll im Herbst dem Gemeinderat vorgelegt werden. «Diese Zeit müssen wir uns geben», sagte Curschellas.

 

Für die Überweisung des Auftrages plädierte in erster Linie die SVP. «Brambrüesch wird nicht sterben», meinte auch GPK-Präsident Jürg Kappeler (GLP). Stadträtin Sandra Maissen erklärte, weshalb der Stadtrat bereit gewesen wäre, den Auftrag entgegenzunehmen. «Die Überweisung bedeutet noch nicht, dass wir schon zwei Varianten ausarbeiten», betonte Maissen. Es würde dann einfach zwei Botschaften geben, im Herbst eine mit dem geforderten Bericht zum Neubauprojekt und später eine zweite mit einem Planungskredit für die Ausarbeitung einer Variantenabstimmung. Dies würde aber ein bis zwei Jahre dauern und ein bis zwei Millionen Franken kosten. Davon wollte die Mehrheit des Gemeinderates nichts wissen und versenkte den Auftrag mit 7:14 Stimmen.

Aktiv geworden ist die Mitte-Fraktion betreffend die Situation auf dem Wohnungsmarkt. Tino Schneider hat einen Auftrag «Aktionsplan Wohnungsknappheit» eingereicht, der im Rat auf breite Unterstützung stiess.

In der Fragestunde gab Stadtpräsident Urs Marti auf eine entsprechende Frage von Hanueli Salis (SVP) bekannt, dass das Thomas Domenig Stadion aufgrund der Kondensationsproblematik im Sommer in der nächsten Saison nur vom 1. September bis 31. März zur Verfügung stehen wird.

Engagiere dich